Radmarathon

Ein  Bericht über meinen 1. Radmarathon im Odenwald unter besten Bedingungen...

von Caro Rauth

7.00 Uhr morgens am Lindenplatz in Nußloch: 15 Grad und Sonne. Es ist kein Regen angekündigt und das soll auch die nächsten 12 Stunden so bleiben.

Große Taten werfen ihre Schatten voraus... Ich warte auf  Udo und Christian. Wir werden zu dritt unseren Radmarathon Odenwald fahren. Michael hat kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.

Aufregung? Na ja, sicherlich spüre ich eine gewisse Anspannung, aber nach einer guten Vorbereitung in Coronazeiten müßte die Strecke gut zu bewältigen sein. Aber nur wenn das Tempo stimmt und da bin ich mir bei den zwei Herren noch etwas  unsicher. Udo ist unser Leader. Er hat die Strecke geplant und schon zu zwei Dritteln selbst befahren. Das war im August 2019. Beim letzten Mal mußte er jedoch aufgrund eines Sturzes abbrechen.

Endlich geht es los. Das Ziel, diese Tour zu machen steht seit Februar fest. Wir rollen uns entspannt ein. Dabei geht es über das übliche Trainingsterrain von Nußloch nach Meckesheim, Lobbach, Waldwimmersbach, Haag und dann hinunter in die wunderschöne und rasante Abfahrt nach Pleutersbach und weiter bis Eberbach am Neckar.

 Dort machen wir den ersten Fotostop auf der Neckar-brücke. Es ist schon so angenehm warm geworden, dass wir uns entblättern und uns mit Gels und Riegeln  für die
nächsten smarten 400 Höhenmeter hinauf nach Waldkatzenbach stärken. Ich fahre in meinem Tempo den langen Anstieg hoch, die Herren vor mir werden immer kleiner. Das ist für mich völlig o.k., denn ich will mich nicht auf den ersten 100 km mit der Geschwindigkeit verzocken.

Irgendwann sind sie sogar ganz ausser Sichtweite... Egal, ich glaube sie haben mich vergessen, denn auch in Waldkatzenbach wartet keiner auf mich. Da ich mit Navigation fahre und wir in Amorbach im Cafe Bliz frühstücken wollen, mache ich mir weiter keine Sorgen und hoffe auf ein Wiedersehen dort. Aber es kommt anders. Unverhofft stehen sie irgendwo weit außerhalb der Ortschaft und der maximalen Anstiegshöhe am Rand und warten brav auf mich. Prima, dann kann es  in alter Rangfolge weitergehen. Udo, unser Leader vorne weg, Christian und ich wechseln uns an Position 2 und 3 gut ab. Nach 80 km erreichen wir Amorbach. Die Begrüßung am Ortseingang ist brutal. Erbärmlichstes Kopfsteinpflaster erwartet uns. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Im ganzen Gerüttel und Geschüttel verliere ich sogar meine Trinkflasche ohne es zu bemerken. Ich finde sie später glücklicherweise wieder.

Unsere Vorfreude auf einen guten Kaffee nach gut einem Drittel Strecke und einer gigantischen Abfahrt über Mudau wird getrübt. Leider stehen wir vor  verschlossenen Türen beim Cafe. Vermutlich halten die Betreiber ihre Homepage nicht auf den aktuellsten Stand. Udo hatte nämlich recherchiert, dass das Cafe am Sonntag geöffnet wäre. Das Schild an der Tür schreibt aber etwas anderes und betont ausdrücklich, dass Sonn- und Feiertags das Cafe geschlossen bleibt. Coronazeiten.

Wir setzen uns trotzdem hin und genießen die sonn-tägliche Ruhe des kleinen Städtchens, stärken uns mit unseren Vorräten und laden unsere Navis per Powerbank auf. Ich fühle mich gut, Christian klagt schon etwas über zwickende Beine und Udo behauptet, wer jetzt nichts spürt, ist ein Lügner. Hmm, ich lüge nicht... noch nicht...

Wir erreichen auf unserer Fahrt Richtung Nordosten Miltenberg im Bundesland Bayern! Über viele schöne Radwege fahren wir auf unserem nördlichsten Punkt eine ganze Zeit am Main entlang,  bevor es wieder Richtung Westen zurück in den Odenwald geht. Ich teile mir die Strecke kilometermäßig im Kopf ein, die ersten 70km, dann die Hälfte bei 105 km,
dann nach zwei Drittel bei 140 km und dann setze ich mir nochmal einen Marker bei 190 km. Ich überprüfe, wie ich mich nach den erreichten Zwischenzielen fühle. Meine Befürchtung, dass das Tempo von den Herren zu hoch angeschlagen wird, tritt glücklicherweise nicht ein. Udo fährt vorne eine super Grundgeschwindigkeit in der es eine Wohltat ist, so
dahinzurollen und nebenbei die Landschaft zu genießen.

Die Temperaturen sind spitze. Ab und zu kratzen wir mal an der 30 Grad Marke. Nach 105 km machen wir erneut Pause - auch hier will es mit einem Sit-In in einem Cafe nicht klappen. Man hätte vorbestellen müssen. Wir ziehen unsere "Masken" auf und stärken uns an der Tankstelle mit Cola, Wasser und Brezel.

Auf dem Weg zur 140 km Marke zeigt uns Udo noch den "Sturzort" des Geschehens bei Höchst im Odenwald bei seiner letzten Tour. Schnell weiter - schlechte Erinnerungen wollen nicht geweckt werden.

Dann genau bei km 140 der ersehnte, im grünen liegende Biergarten. Freundliche Bedienung, keine laute Strasse und keine Vorbuchung nötig - ah welch Glück. Aber... keinen Kuchen und keine Milchprodukte im Kaffee. Was soll´s. Cappuccino geht, Cola und Apferschorle auch.

Nach den 140 km kommen zwei leichte Anstiege bis Fürth im Odenwald. Christian und ich übernehmen für kurze Zeit die Führung. Überhaupt blüht Christian immer wieder an den Anstiegen auf, als wäre er noch nichts gefahren.

Bis Weinheim geht es entspannt weiter. Wir haben mittlerweile 16.15 Uhr und steuern wieder eine Tankstelle bei km 168 an. Jetzt wird es knackig - es folgen das Gorxheimertal bis Oberflockenbach, die Ursenbacherhöhe und summa sumarum 600 Höhenmeter bis über Altenbach nach Wilhelmsfeld. Die Strecke ist so geplant, dass man es sich am Ende des Tages noch besonders schwer machen will, denn wir könnten auch über Schriesheim abfahren...

Über einige Rampen  geben wir nochmal alles. Nach gemeinsamen Beginn im Anstieg muss ich die Herren erneut ziehen lassen. Christian tritt völlig entspannt in die Pedale, Udo hinterher. Nach 250 Höhenmetern folgt eine kurze Abfahrt, dann geht es erneut in den Anstieg. Wir überholen drei Rennradfrauen und mein Blick ist starr auf den Asphalt gerichtet. Christian ist weit vorne. Udo hängt sich an mein Hinterrad. Ups, was geht denn hier ab?

Jetzt bin ich im Wahn und kenne keine Gnade mehr mit mir selber. Ich bleibe vorne - irgendwann setzt Udo nach und überholt. Ich kann dran bleiben. He? Der Puls steigt, ich überhole Udo und versuche zu Christian aufzuschließen, um ein bisschen Windschatten zu ergattern. Bringt es das noch? Udo saugt sich fest an meinem Rad. Dreimal muß ich voll Entsetzen feststellen, dass der Berg noch nicht zu Ende ist. Weiter bis Ortseingang Wilhelmsfeld und die letzten 60 Höhenmeter bis zum "Parkplatz Langer Kirschbaum" liegen noch vor uns.

Puh, das hat alle viel Kraft gekostet, da wir ehrgeizig gefahren sind. 10 Minuten durchschnaufen, die restliche Cola  trinken und es folgt eine vorsichtige Abfahrt meinerseits durchs Peterstal nach Ziegelhausen.

Unten angekommen sehe ich einen fertigen Udo vor mir, der dringend nach einer bewirtschafteten Pause sucht. Aber auch hier Fehlanzeige. Die einzige Pizzeria hier im Ortsteil hat noch geschlossen. Wir setzen uns auf die Stühle. Nach süssen Getränken ist mir überhaupt nicht mehr. Auf meinem Radcomputer habe ich nun genau 200,00 km stehen. Die Route solluns zurück über Neckargemünd nach Wiesenbach über Bammental führen und dann noch hoch zum Königsstuhl.

Huch, da hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen. Nein kein Königsstuhl mehr - nur noch von Bammental nach Gauangelloch. Auch das geht noch, aber eben nur noch langsam.

In Gauangelloch  wird demokratisch abgestimmt, wie es am leichtesten oder am schönsten nach Nußloch zurück geht. Wir einigen uns problemlos auf die Schatthausen  - Maisbach Variante.

Udo geht wieder erholter an die Sache ran nach der Erholung  in Ziegelhausen und ist wie gewohnt die letzten Kilometer vorne. Christian hängt ein wenig und muß in Maisbach erneut pausieren, um dann die letzten 50 Höhenmeter bis Nußloch zu erklimmen. Ich erwarte die Herren oben am Parkplatz Bohleneck, aber nicht weil ich besonders schnell hoch gefahren bin, im Gegenteil, ich fahre so langsam wie noch nie diese Steigung nach oben. Ich hatte einfach nur einen Vorsprung, weil Udo noch bei Christian die Pause in Maisbach verbracht hat.

Zum Abschluss dieses erlebnisreichen Tages  lädt Udo uns noch zu einem Kaltgetränk auf seiner Terasse ein, wo wir uns nach 9 Stunden Fahrtzeit, 223 km und 2200 Höhenmetern sowie 2 Stunden und 45 Minuten Pause
sammeln, bevor es dann nach Hause geht. Wir stoßen auf eine erfolgreiche Tour an und freuen uns, dass alles ohne Platten und sonstigen Probleme geklappt hat und wir wieder wohlbehalten in die Woche starten können.

Danke an Udo, der eine super Strecke geplant hat und so souverän und mit guter Tempoarbeit vorne weggefahren ist. Danke auch an Christian, der sich mit mir Position 2 und 3 so schön geteilt hat und und für seine erheiternden Sprüche in den Anstiegen.

 

Ohne Euch hätte ich für diese Strecke deutlich länger gebraucht...

 

 

Caro Rauth, 21.6.2020

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Kommentare: 6
  • #1

    Udo (Dienstag, 23 Juni 2020 09:44)

    Gegen Ende hast Du sehr nett formuliert. Fakt war: die beiden Herren haben am letzten Anstieg zu viel Gas gegeben und mußten anschließend - zuerst der eine, dann der andere - dafür bitter büßen und unsere Lady hat Ihren ersten Marathon fröhlich und locker durchgezogen :-)

  • #2

    Christian (Dienstag, 23 Juni 2020 09:58)

    Die Pause in Maisbach hast Du sehr nett umschrieben. :-) Mir war speiübel!
    Und dass Du uns am Ende trotz Rucksack abgezogen hast, hast Du auch unter den Tisch fallen lassen :-) Danke!

  • #3

    Robert (Dienstag, 23 Juni 2020 12:15)

    ...super Bericht :)

  • #4

    Klaus S. (Dienstag, 23 Juni 2020 13:58)

    Für den Leser so unterhaltsam geschrieben, als wenn man selbst dabei gewesen wäre. Habe es genossen und auch mitgelitten.
    Caro großes Kompliment für dein schriftstellerisches Talent!

  • #5

    Sabine (Dienstag, 23 Juni 2020 15:02)

    Super Bericht, einfach schön zu lesen! Kompliment an alle 3 Fahrer für euer Durchhaltevermögen :-)

  • #6

    Sylvia (Dienstag, 30 Juni 2020 22:30)

    Auch ich fand den Bericht spannend und richtig zum mitfühlen. Tolle Leistung!!!